Arbeitsrecht in der Pandemie

Pflicht zum Angebot der Arbeit im Homeoffice / Annahmepflicht der Arbeitnehmer

Für Büroarbeiten und vergleichbare Tätigkeiten ist der Arbeitgeber nach § 28b Abs. 7 InfSchG verpflichtet zu prüfen, ob diese in der Wohnung des Beschäftigten ausgeführt werden können, was untechnisch als „Arbeit im Homeoffice“ bezeichnet wird. Vergleichbare Tätigkeiten sind in der Regel solche, die unter Verwendung von Informationstechnologien von zu Hause aus erledigt werden können. Für Tätigkeiten, die ihrer Natur nach nicht im Homeoffice ausgeführt werden können, wie bspw. im Verkauf des Einzelhandels, in der Produktion, Logistik, persönliche Dienstleistungen, Handwerk etc. bedarf es keiner Prüfung. In allen anderen Fällen ist zu prüfen, ob Homeoffice-Arbeit möglich ist oder zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. Die Prüfung muss arbeitsplatzbezogen vorgenommen werden, wozu sich eine Typisierung nach den jeweiligen Aufgaben, die auf den betrieblichen Arbeitsplätzen zu erfüllen sind, anbietet. Stehen zwingende betriebsbedingte Gründe entgegen, müssen diese konkret dokumentiert werden, um sie gegenüber der Aufsichtsbehörde jederzeit darlegen zu können.

Zwingende betriebsbedingte Gründe, die der Arbeit im Homeoffice entgegenstehen, müssen also den betrieblichen Umständen, ggf. des besonderen Arbeitsplatzes, folgen und nachvollziehbar sein. In Betracht kommen beispielsweise.

  • Teilaufgaben, die untrennbar mit der Hauptaufgabe verbunden sind und die nur im Betrieb ausgeführt werden können, z.B. Bearbeitung des Warenein- und -ausgangs, Hausmeisterdienste und Postverteilung, Aufgaben mit weiterhin erforderlichen persönlichen Kunden- bzw. Mitarbeiterkontakten, Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben, Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebes, Sicherstellung der Ersten Hilfe usw.
  • Datenschutzgründe, wenn erforderliche Verschlüsselungs- oder Schutzsysteme nur innerhalb des Betriebs gewährleistet werden können. Das gilt besonders bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO, die besondere Schutzmaßnahmen des Verarbeiters (im Regelfall des Arbeitgebers) erfordern. Auch im Homeoffice müssen die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung sorgfältig eingehalten werden. Es muss sichergestellt sein, dass niemand unbefugt Daten oder Unterlagen einsehen kann.
    Zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Arbeit im Homeoffice lesen Sie auch die Hinweise der Nds. Beauftragten für den Datenschutz, die Sie
    hier downloaden können. In vielen Fällen wird dieser Standard im normalen Wohnungsumfeld des Arbeitnehmers nicht einzuhalten sein. Weitere Informationen zum Schutz und der Sicherheit von Daten im Homeoffice finden sich beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: "Tipps für sicheres mobiles Arbeiten".
  • Schweige- und Geheimhaltungspflichten, insbesondere der Berufsverschwiegenheit, die im Homeoffice nicht sichergestellt werden kann.
  • Technische Gründe, wie dass betrieblich verwandte Software aus Lizenz- oder Sicherheitsgründen nicht auf Privatrechnern installiert werden kann und den betroffenen Mitarbeitern keine betrieblichen Laptops zur Verfügung stehen.
  • Notwendigkeit eines ständigen Zugriffs auf nur im Betrieb verfügbare Arbeitsmittel.
  • Notwendigkeit der Einarbeitung neu eingestellter Mitarbeiter im Betrieb.

Das Bundesarbeitsministerium spricht auf seiner Webseite davon, dass technische oder organisatorische Gründe, wie z.B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten i.d.R. nur vorübergehend bis zur Beseitigung des Verhinderungsgrunds angeführt werden können.

Die Ergebnisse der Prüfung sind zu dokumentieren. Allen Mitarbeitern, bei denen einer Homeoffice-Arbeit keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, muss eine Homeoffice-Vereinbarung angeboten werden. Das Muster einer entsprechenden Vereinbarung finden Sie auf unserer Website  hier.

Wollen Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice Gebrauch machen, muss zudem geprüft werden, ob die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind, um den Homeoffice-Arbeitsplatz funktionstüchtig sowie arbeitsschutzrechtskonform einzurichten. Wenn der Arbeitnehmer in seiner Wohnung über keine hinreichend schnelle Internet- und WLAN-Verbindung verfügt, scheidet Homeoffice-Arbeit regelmäßig aus. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die dafür erforderlichen technischen oder sonstigen Voraussetzungen selbst zu schaffen, also bspw. die dafür erforderlichen technischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Auch die übrigen häuslichen Verhältnisse der Beschäftigten (z.B. kein geeigneter Bildschirmarbeitsplatz, räumliche Enge) können einer Arbeit im Homeoffice entgegenstehen. Umfangreiche Tipps zur sicheren und ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsorganisation im Homeoffice sind auf den Sonderseiten der Initiative Neue Qualität der Arbeit  hier verfügbar. Weitere Hinweise finden Sie in der Informationsschrift der DGUV: DGUV Information 215-410: Bildschirm- und Büroarbeitsplätze, Download hier.

Die Abläufe und Ergebnisse der Prüfungen müssen dokumentiert werden, bspw. in einer Liste, aus der auch folgt, dass und wann der Mitarbeiter kontaktiert und bspw. ihm das Angebot unterbreitet wurde und wie er darauf reagiert hat. Sofern die häuslichen Verhältnisse beim Arbeitnehmer ungeeignet sind, muss auch das dokumentiert werden. Zu alledem können Sie sich eines Musters bedienen, welches Sie ⇒ hier downloaden können.

Nach dem Gesetz müssen Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers annehmen, soweit ihrerseits "keine Gründe" entgegenstehen. Somit gibt es immerhin eine korrespondierende Verpflichtung der Arbeitnehmer, auch ins Home-Office zu wechseln, nur hängen die Trauben sehr unterschiedlich hoch. Während der Arbeitgeber, wenn er Home-Office-Arbeit nicht anbieten will, dafür „zwingende betriebsbedingte Gründe“ haben muss, reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer „Gründe“ hat, die seiner Tätigkeit im Home-Office entgegenstehen.

Wir fürchten, dass das im Ergebnis darauf hinauslaufen wird, dass jeder Arbeitnehmer, der einfach nicht im Home-Office arbeiten will, auch irgendeinen Grund finden wird, mit dem er das ablehnen kann.

Da die Einführung des Abs. 7 in § 28 b IfSG erst am Ende der Beratungen im Bundestag am 21.04.2021 in das Gesetz aufgenommen wurde, gibt es leider auch keine Anhaltspunkte aus den Gesetzesentwürfen und deren Begründung, die etwa Rückschlüsse darauf zuließen, ob es so etwas wie eine Mindestintensität eines entgegenstehenden Grundes für den Arbeitnehmer geben muss. Den ursprünglichen Entwurf des sog. 4. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 13.04.2021 können Sie unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/284/1928444.pdf downloaden.

 

Arbeit im Homeoffice

Der Arbeitgeber ist schon aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht - auch gegenüber den anderen Arbeitnehmern - gehalten, mögliche Ansteckungen zu verhindern. Eine Möglichkeit ist die Arbeit im Homeoffice.

Nach einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.11.2018 (Az. 17 Sa 562/ 18) ist der Ar­beit­geber zwar nicht allein aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Ar­beit­nehmer Arbeit im Homeoffice zuzuweisen. In der gegenwärtigen Situation wird das aber anders zu beurteilen sein. Notfalls sollte der Arbeitgeber daher, wenn eine besondere Gefährdung andere Mit­arbeiter oder Kunden zu befürchten ist und eine sinnvolle Tätigkeit im Homeoffice, auch unter daten­schutzrechtlichen Gesichtspunkten, möglich ist, ggf. nach Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats, im Einzelfall Arbeit im Homeoffice anordnen.

Bereits bestehende betriebliche oder individuelle Regelungen zur Arbeit im Homeoffice sollten umgesetzt werden. Einen Mustervertrag mit Erläuterungen, den wir für die besondere Situation der ge­genwärtigen Corona-Krise erstellt haben, finden Sie auf unserer Website.

Die Arbeitnehmer haben indes, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, keinen Anspruch darauf, ihre Arbeit von zuhause aus zu erledigen, es sei denn, es gibt dazu arbeits- oder tarif­ver­tragliche Regelungen bzw. Betriebsvereinbarungen. Die Bundesregierung plante zwar schon vor der Corona-Krise die Einführung eines Gesetzes, welches ein Recht auf Arbeit im Homeoffice schaffen sollte. Das gibt es aber noch nicht. Bis zum 15. März 2021 aber folgt aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung die Pflicht des Arbeitgebers, zu prüfen, ob Büro- und vergleichbare Tätigkeiten auch in der Wohnung des Arbeitnehmers ausgeführt werden können. Lesen Sie dazu ⇒ hier weiter.

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) unterstützt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Hand­werksbetriebe mit den Förderprogramm "go-digital" bei der Umsetzung von Arbeit im Homeoffice, wenn diese kurzfristig Homeoffice-Arbeitsplätze einrichten müssen mit bis zu 50 % der Kosten einer unterstützenden Beratung durch ein vom BMWi autorisiertes Be­ra­tungs­unternehmen. Angeboten werden drei Module zu den Themen „Digitalisierte Ge­schäfts­prozesse”, „Digitale Markterschließung” und „IT-Sicherheit”.

Datenschutz im Homeoffice

Nicht erst seit Corona ist die Frage, wie die Arbeit im Homeoffice datenschutzrechtlich zu behandeln ist, von Bedeutung. Lesen Sie dazu die Hilfestellung zum Datenschutz im Homeoffice der Niedersächsischen Beauftragten für den Datenschutz, die Sie ⇒ hier downloaden können.

Mit den Informationen auf unserer Website verfolgen wir das Ziel, Sie stets auf dem Laufenden zu halten. Der Inhalt wird von uns mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt, wir übernehmen aber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit unserer In­for­ma­tionen. Wir können und werden diese Informationen ständig und ohne Ankündigung ändern. Insbesondere leisten wir damit keine individuelle Rechtsberatung und übernehmen für Entscheidungen, die Sie aufgrund unserer Informationen fällen, keine Haftung. Dazu bedürfte es der Begründung eines Mandatsverhältnisses, welches sich auf die individuelle Beratung im Zusammenhang mit konkreten Rechtsfragen richtet und dessen Zustandekommen von uns bestätigt wurde. Auf externe Verweise (Links) haben wir keinen Einfluss; sie bedeuten nicht, dass wir uns deren Inhalt zu eigen machen.
Die von uns angebotenen weiteren Downloads von unserer Website stehen nur unseren Mandanten zur Verfügung, die mit uns dazu eine Informationsvereinbarung abgeschlossen haben.

 
Direktlink