Arbeitsrecht in der Pandemie

COVID-19-Arbeitszeitverordnung

Die COVID-19-Arbeitszeitverordnung ist im Bundesanzeiger vom 09.04.2020 veröffentlicht worden (Download ⇒ hier) und am 10.04. 2020 in Kraft getreten.

Sie enthält im Vergleich zum Referentenentwurf einige Abweichungen:

  • Die Möglichkeit, die Arbeitszeit in dringenden Ausnahmefällen auch über zwölf Stunden am Tag hinaus zu verlängern, wurde gestrichen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Wochenarbeitszeit nach § 1 Abs. 3 Satz 2 im Ausnahmefall auch über 60 Stunden hinaus verlängert werden kann.
  • Hinsichtlich der zulässigen Tätigkeiten wurde klargestellt, dass neben Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Be- und Entladen und Einräumen der aufgeführten Produkte das Liefern an Unternehmer zulässig ist. Dies stellt ebenfalls eine Einschränkung dar. In der Verordnungsbegründung ist ausdrücklich festgelegt, dass eine Belieferung von Endverbrauchern ausgeschlossen ist. Eine solche kann aber unter Umständen nach § 1 Abs. 2 Nr. 9 zulässig sein.
  • Zusätzlich wurden die Verpackungsindustrie und verwandte Tätigkeiten in den Katalog der Verordnung aufgenommen. Hierzu findet sich nun die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 d), nach der u. a. auch das Herstellen und Liefern von entsprechenden Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien erfasst sind.
  • Nach § 1 Abs. 2 Nr. 9 COVID-19-ArbZV sind Tätigkeiten in Apotheken und Sanitätshäusern im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten einschließlich Abhol- und Lieferdienste zulässig. Im Referentenentwurf waren in der Norm "Verkaufsstellen" erfasst. Diese wurden nun durch die engere Festlegung auf Apotheken und Sanitätshäuser ersetzt.

Die aufgrund der Verordnung zugelassenen Ausnahmen zur täglichen Höchstarbeitszeit, zur Mindestruhezeit und zur Sonn- und Feiertagsarbeit dürfen nur bis zum 30. Juni 2020 angewendet werden. Die Verordnung tritt am 31. Juli 2020 außer Kraft.

Arbeitszeitrechtliche Vorschriften / Ausnahmen nach Allgemeinverfügungen der Länder

I. Arbeitszeit
Im Grundsatz gelten sich in der Corona-Krise die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes, aber auch dieses lässt es zu, von den normalen Regeln zur Höchstarbeitszeit (§ 3 ArbZG), den Ruhepausen (§ 4 ArbZG), der Nacht­arbeit (§ 6 Abs. 2 ArbZG), den Regelungen zur Sonn- und Feiertagsruhe (§§ 9, 10 und 11 ArbZG) und der normalerweise 11stündigen Ruhezeit (§ 5 ArbZG) abzuweichen, wenn Notfälle vor­liegen (§ 14 ArbZG). Abweichungen können sich auch aus Tarifverträgen oder Be­triebs­ver­einbarungen auf der Grundlage von Tarifverträgen ergeben (§§ 7 und 12 ArbZG).
Darüber hinaus gelten nach verschiedenen Allgemeinverfügungen der Länder Ausnahmeregeln für besondere Tätigkeiten und Bereiche:

 

Arbeitszeitrechtliche Grenzen
Grenzwert
Norm
allgemein
besondere
Tätigkeiten
systemrelevante
Bereiche
Krankenhäuser
und Pflege
Normalarbeitszeit
§ 3 ArbZG
8 Stunden8 Stunden8 Stunden8 Stunden
Höchstarbeitszeit/Tag
§ 3 ArbZG
10 Stunden10 Stunden12 Stunden12 Stunden
Normalarbeitszeit/Woche
§ 3 ArbZG
48 Stunden48 Stunden48 Stunden48 Stunden
Höchstarbeitszeit/Woche
§ 3 ArbZG
max. 60 Stunden"soll" 60 Stunden
nicht überschreiten
60 Stunden"soll" 60 Stunden
nicht überschreiten
Ruhezeit
§ 5 ArbzG
11 Stunden11 Stunden11 Stunden11 Stunden
Ruhepausen
§ 4 ArbZG
> 6 Std. = 30 Min.
> 9 Std. = 45 Min.
> 6 Std. = 30 Min.
> 9 Std. = 45 Min.
> 6 Std. = 30 Min.
> 9 Std. = 45 Min.
> 6 Std. = 30 Min.
> 9 Std. = 45 Min.
Sonntagsarbeit
§ 9 ArbZG
nein, außer
§ 10 ArbZG
jaja, tw. bereits
§ 10 ArbZG
ja, § 10 ArbZG
+ Allgemeinvfg.
Ausgleichstag
§ 11 Abs. 3 ArbZG
binnen 2 Wochenbinnen 8 Wochenbinnen 2 Wochenbinnen 2 Wochen
arbeitsfreie Sonntage
§ 11 Abs. 1 ArbZG
15

15

1515


Die Tabelle gibt indes nur einen ersten groben Überblick. Im Detail bedarf es eines Blicks in das Gesetz und etwaige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.

Durch eine Verord­nungs­ermächtigung im Arbeitszeitgesetz aber wurden bundeseinheitliche Aus­nahmen von den Arbeits­zeitvorschriften geschaffen, um dazu beizutragen, in der Corona-Krise die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge sowie die Versorgung der Bevölkerung (systemrelevante Bereiche) mit existentiellen Gütern sicherzustellen. Das ist geschehen und die entsprechenden Allgemeinverfügungen zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes sind erlassen. Die des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales etc. vom 24.03.2020 finden Sie hier.

Nach der Allgemeinverfügung dürfen volljährige Arbeitnehmer abweichend von § 9 ArbZG auch an Sonn- und Feiertagen mit besonderen Tätigkeiten beschäftigt werden; mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen aber arbeitsfrei bleiben (§ 11 Abs. 1 ArbZG). Zugleich wurde der Rahmen für die Gewä­hrung des Ersatzruhetages (§ 11 Abs. 3 ArbZG) von zwei auf 8 Wochen ausgedehnt. Bei den betroffenen Tätig­keiten handelt es sich

  • Produktion, Verpacken (inkl. Abfüllen), Kommissionieren, Liefern, Be- und Ent­laden und Einräumen von Waren des täglichen Bedarfs (insbesondere Lebens­mittel, Getränke, Zeitungen, Zeitschriften, Toiletten- und Hygieneartikel), sowie die dafür notwendige Produktion aller erforderlichen Eingangsstoffe (Rohstoffe, Zwischenprodukte),
  • Produktion, Verpacken (inkl. Abfüllen), Kommissionieren, Liefern, Be- und Ent­laden und Einräumen von Medizinprodukten, Arzneimitteln, Impfstoffen sowie weitere apothekenübliche Artikel und medizinisches Verbrauchsmaterial, sowie die dafür notwendige Produktion aller erforderlichen Eingangsstoffe (Rohstoffe, Zwischenprodukte),
  • Produktion, Verpacken (inkl. Abfüllen), Kommissionieren, Liefern, Be- und Ent­laden und Einräumen von Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der Pandemie durch den Corona-Virus (SARS-CoV-2) eingesetzt werden, sowie die dafür notwendige Produktion aller erforderlichen Eingangs­stoffe (Rohstoffe, Zwischenprodukte),
  • Medizinische Behandlung und Versorgung von Patientinnen und Patienten ein­schließlich Assistenz-, Hilfs- und Labortätigkeiten,
  • Produktion, Verpacken (inkl. Abfüllen), Kommissionieren, Liefern, Be- und Ent­laden und Einräumen von Futtermitteln, sowie die dafür notwendige Produktion aller erforderlichen Eingangsstoffe (Rohstoffe, Zwischenprodukte),
  • Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Finanz- und Versicherungswe­sen, insbesondere Banken, Börsen, Versicherungen und Finanzdienstleister,
  • Produktion von Verpackungsmaterial für die oben aufgeführten Waren und Produkte (insbesondere auch für den Außer-Haus-Verkauf von Restaurationsbetrieben).

In den sog. systemrelevanten Bereichen ist die Höchstarbeitszeit (§ 3 ArbZG) für Volljährige auf 12 Stunden pro Tag ausgedehnt worden, wobei die Arbeitszeit 60 Stunden wöchentlich nicht über­schreiten „soll“; normalerweise „darf“ die wöchentliche Arbeitszeit 60 Stunden nicht überschritten werden. Die gesetzlichen Pausenzeiten des § 4 ArbZG sind einzuhalten. Das betrifft folgende systemrelevante Bereiche:

  1. bei Not- und Rettungsdiensten sowie bei der Feuerwehr,
  2. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funkti­onsfähigkeit von Gerichten und Behörden und für Zwecke der Verteidigung ,
  3. in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Be­treuung von Personen,
  4. beim Rundfunk, bei Nachrichtenagenturen sowie bei den der Tagesaktualität dienenden Tätigkeiten für andere Presseerzeugnisse, bei tagesaktuellen Auf­ nahmen auf Ton- und Bildträger,
  5. in Verkehrs- und Hafenbetrieben,
  6. in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasser­entsor­gungsbetrieben,
  7. in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behand­lung und Pflege von Tieren,
  8. im Bewachungsgewerbe und bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
  9. bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechner­systemen

Abweichend von § 16 Abs. 2 ArbZG sind bei Inanspruchnahme der Ausnahmebewilligungen, die bis zum 31.05.2020 befristet sind, die Lage und die Dauer der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten (Beginn und Ende) und die Freischichten für jeden Beschäftigten in einer Monatsliste zu dokumentieren und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Arbeitszeitnachweise sind mit einer Aufstellung der betroffenen Beschäftigten zwei Jahre lang aufzubewahren und der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen.

Spezielle Ausnahmebewilligung  zur Beschäftigung von Arbeitneh­mern in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus folgen aus einer weiteren Allgemeinverfügung des Nds. Gesundheitsministeriums vom 20.03.2020, welche Sie ebenfalls direkt hier downloaden können.

II. Notfalleinsatz
Um den Betrieb aufrecht zu erhalten oder auch in einem geschlossenen Betrieb Schäden zu vermeiden, können, jedenfalls für eine Übergangszeit, im Rahmen von Not­fall­maßnahmen den gesunden Beschäftigten anderweitige Tätigkeiten zugewiesen werden. Dazu sind diese schon auf­grund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht verpflichtet, wobei die Interessen der betroffenen Be­schäf­tigten zwar zuvor in die Interessenabwägung einzubeziehen sind, aber wohl nur in den seltenstenm Fällen überwiegen dürften.

Ggf. ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG (Versetzung/Umgruppierung) zu beteiligen. Machen Sie von der Möglichkeit einer vorläufigen personellen Maßnahme nach § 100 BetrVG Gebrauch.uch dabei sind im Einzelfall die Interessen der betroffenen Beschäftigten zu berücksichtigen.

Eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen, die unter anderen Umständen auf wenig Ge­gen­liebe bei den Arbeitnehmern stoßen würde, nennt § 15 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz. Danach sind die Beschäftigten verpflichtet,

"nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Wei­sung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Ent­sprechend Satz 1 haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind."

 

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